Lokalisierung der Varusschlacht durch Cassius Dio

Cassius Dio gibt uns reichhaltige Hinweise zu den Germanenkriegen, die in mancher Hinsicht zur Aufklärung der Vergangenheit beigetragen haben. Aber gleichzeitig stiftete er auch die meiste Verwirrung durch seine teilweise übertriebene aber detaillierte Darstellungsart. Wie er zur Übertreibung neigt, zeigt ein Beispiel das schon Dr. Herrmann Kesting in seinem Buch“ Arminius“ anmerkt. Es geht um die Berichte von Livius, Sueton und Dio Cassius, über das Scheitern und den Tod des Drusus an der Elbe im Jahr 9 vor unserer Zeitrechnung. In der Periocha (Inhaltsangabe) des verloren gegangenen Buches 142 von Livius steht sachlich: “Es selbst (Drusus) starb infolge eines Knochenbruches, da sein Pferd auf seinen Schenkel stürzte, am dreißigsten Tage nach dem Unfall. Seine Leiche wurde von seinem Bruder Tiberius, der auf die Nachricht von seiner Erkrankung herbeigerufen und schleunigst herbeigeeilt war, nach Rom gebracht und im Grabhügel des C.Julius beigesetzt. Die Lobrede auf ihn hielt sein Stiefvater Cäsar Augustus.” Sueton erwähnt zuerst „die Gestalt eines barbarischen Weibes“, bringt sie im Zusammenhang mit dem Scheitern des Feldzuges, aber noch nicht mit Drusus` Tod: „Drusus hörte nicht eher auf, den Feind zu verfolgen, bis die Gestalt eines barbarischen Weibes von übermenschlicher Größe dem Sieger in lateinischer Sprache verbot, weiter vorzudringen. Daher erhielt er das Recht der Ovation und die Triumphalinsignien. Und als er nach seiner Prätur das Konsulat angetreten und seinen Feldzug in Germanien wiederholt hatte, starb er ruhig an einer Krankheit.“ Erst Cassius Dio stellt einen Kausalzusammenhang zwischen der Erscheinung der germanischen Göttin und dem Tode des Drusus und schmückt ihn durch allerlei gruselige Zeichen und Wunder aus: „Drusus konnte die Elbe nicht überschreiten, sondern kehrte um. Denn ein Weib von übermenschlicher Größe stellte sich ihm entgegen und rief ihm zu: , Wohin in aller Welt willst du, unersättlicher Drusus? Es ist dir nicht beschieden, alles hier zu schauen. Kehr um! Denn das Ende deiner Taten und deines Lebens ist da!“ Es ist freilich seltsam, dass eine solche Stimme von Seiten der Gottheit jemanden offenbar wurde, doch ich kann daran nicht zweifeln. Denn sofort erfüllte sich das, wie er schleunigst umkehrte und unterwegs an einer Krankheit verschied, noch ehe er den Rhein erreicht hatte. Ich sehe auch darin eine Bestätigung für das Erzählte, dass Wölfe um die Zeit seines Todes sein Lager heulend umkreisten; Auch sah man zwei Jünglinge mitten durch das Lager reiten, weibliches Klagegeschrei wurde vernommen und Sternschnuppen gingen am Himmel nieder.“

Wenn wir nun Dios Bericht über den Verlauf der Varusschlacht werten wollen, müssen wir diese teilweise extrem unsachliche Darstellungsart beachten. Sein Bericht des Schlachtverlaufes ist der offen erkennbare Versuch, diese vernichtende Niederlage der Römer die natürlich nicht in sein Weltbild von der Überlegenheit der römischen Kultur passte, mit vielen fadenscheinigen Entschuldigungen und Ausreden zu erklären. Gleichzeitig bediente er dadurch ein Klischee, dass die Römer von Germanien und seinen Einwohnern hatten. Der Heerführer war als Statthalter unfähig, die Germanen in ihrem Wesen niederträchtig, das Wetter war regnerisch und stürmisch und damit ungünstig für die römischen Legionäre. Auch das Schicksal war nach seinen Aussagen ungnädig und die Götter nicht auf Seiten der Römer.

Es findet sich keine Bemerkung darüber, dass die römische Politik als solche in der Germanenfrage versagt hatte, die römischen Legionen trotz größter Anstrengungen nicht in der Lage waren den Sieg gegen die Germanen zu erringen oder eine angemessene Würdigung der germanischen Kampfweise oder Kriegstaktik. Der Umstand, dass er erst etwa zweihundert Jahre nach der Varuskatastrophe seine Romanika Historia niederschreibt und es wohl  damals keine genauen für ihn verwertbaren Aufzeichnungen über den Schlachtverlauf und Schlachtort gab (oder er sie nicht heranziehen wollte), scheint für ihn Anlass zu sein seiner künstlerischen Freiheit aufs allergrößte freien Lauf zu lassen. Er schreibt Eingangs als Erklärung für die Darstellung seines Berichtes über die Varusschlacht schließlich diesen die damalige Informationslage beschreibenden, Satz: (Cass.Rom.56.18.1) „Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten, deshalb berichtet auch die geschichtliche Überlieferung darüber nichts.“. Für seinen Alterssitz wählte er sich Bithynien, eine Region in Kleinasien weitab von Rom, wo er sicherlich auch erhebliche Probleme hatte, sich ausreichend mit detaillierten Informationsquellen zur Varusschlacht zu versorgen.

Den Römischen Lesern von Dios Römischer Geschichte interessierten wahrscheinlich auch nicht besonders präzise Ortsangaben, Stammesdetails oder der genaue Hergang einer Niederlage der eigenen Legionen. So galt doch das rechtsrheinische Germanien zur Zeit Dios als das Land der kulturlosen Barbaren, dem man keine aufwertende Bedeutung mehr zukommen lassen musste. Auch war der Stamm der Cherusker in den Augen der Römer der Oberbegriff und das Synonym für die barbarischen Germanen, die es gewagt hatten sich gegen die kulturell überlegene römische Herrschaft aufzulehnen, so dass er nicht auf Stammesunterschiede hinweisen musste.

Weiterhin muss man die Ortskenntnis des Dio über die geographischen Verhältnisse in Germanien anzweifeln. Während andere Autoren in ihrer Überlieferung sehr wohl die einzelnen wichtigen Flusssysteme Germaniens unterscheiden und auch differenziert in Rhein, Lippe, Ems, Weser und Elbe aufzählen, sucht man in den Berichten Dios über die Germanenkriege vergeblich einen Hinweis über den Fluss Ems, obwohl sich an diesem nicht unbedeutendem Fluss einige wichtige Ereignisse zugetragen haben. So lieferte sich Drusus auf der Ems oder in seinem Delta ein Seegefecht mit den Brukterern, und Germanicus steuerte während seiner Germanenkriege diesen Fluss zweimal mit seiner Flotte an, um von hier aus in das innere Germaniens vorzustoßen. So kann es sein, dass Dio aus Unkenntnis über die einzelnen germanischen Flusssysteme, oder aus nachlässiger Bequemlichkeit gewisse Ortsangaben die sich tatsächlich auf die Ems beziehen müssten der Weser zugeschlagen hat.

Auch die Zuordnung der Persönlichkeiten innerhalb der Germanenstämme ist bei Dio anzuzweifeln. So gelten für ihn Arminius und Segimer als Hauptverschwörer des Aufstandes (Cass.Rom.55.18.1). Bei Strabo und Tacitus (Tac.Ann.) ist Segimer ein ehemals Abtrünniger dem jedoch verziehen wurde. Einem Anführer einer Revolte, die für das römische Reich in eine derartige Katastrophe endete, hätte Rom niemals verziehen. 

Lokalisierung durch Paterculus

Lokalisierung durch Tacitus

Lokalisierung durch Strabo

Lokalisierung durch Florus

Lokalisierung durch Sueton

Das topographische Gelände der Varusschlacht

Die drei Legionsadler

Fazit der Lokalisierungsversuche

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Die Textpassage in der Romanica Historia von Cassius Dio, in der er den Verlauf der Varusschlacht schildert (Cass.56.20), zählt neben seiner Erwähnung der Weser zu den am differenziertest diskutierten Quellen zur Clades Variana. Diese jüngste Beschreibung der Varusniederlage, die erst zwei Jahrhunderte nach dem Geschehen verfasst wurde, ist trotz dieses beträchtlichen zeitfernen Abstandes die detaillierteste und am meisten ausgeschmückte Quelle die uns überliefert wurde. Schon beim oberflächlichen Überlesen dieser Stelle fallen einem die offensichtlichen Dramatisierungen, die offenbar den Zweck haben dieses Ereignis zu entschuldigen, in ihrer Gesamtheit ins Auge. Im Detail sind folgende Aussagen in Frage zu stellen:

  1. "Das Gebirge war nämlich reich an Schluchten und uneben..."  Es ist geradezu auffallend dass Dio der einzige Histograph ist, im Gegensatz zu allen anderen Beschreibungen der Varusschlacht (StraboGeo.1.17, Vell.Hist.119/2, Flor.Ep.36, Flor.Ep.38, Tac.Ann.I/61, Tac.Ann.I 63, Tac.Ann.I/65), der von Bergen und Schluchten, und nicht von sumpfigem Gelände als eine Ursache der Niederlage spricht. Durch diese Tatsache, dass in keiner der anderen Berichte auch nur in einem Nebensatz von bergigem Gelände gesprochen wird, macht sich Dio schon mit seinen ersten Worten unglaubwürdig. Cassius Dios Beschreibung der Clades Variana ist die detaillierteste aller Quellen, aber in seinem Detailreichtum erwähnt er eigenartiger Weise mit keiner Silbe den Umstand "Sumpf", der gerade für die anderen antiken Autoren Schlachtentscheidend war. Schon bei dieser Textstelle erkennt man, dass sich Cassius Dio bei seiner Varusschlachtbeschreibung nicht an vorhandene Quellen lehnt, auf die er seinerseits bei seiner Recherche etwa zweihundert Jahre nach der Varusschlacht zurückgreifen musste, sondern einen nach seinen Vorstellungen erdachten dramaturgischen Weg geht. Zudem ist zu erfragen warum Dio den Hinterhalt den die Germanen ausgearbeitet haben nicht näher beschreibt, denn diese Falle zählte sicherlich zum entscheidenden Faktor der Niederlage des Varus. Hier ist ein erstes gewichtiges Indiz für eine grundsätzliche Tendenz zur Dramatisierung der Ereignisse ohne auf vorhandene Aufzeichnungen Rücksicht zu nehmen. Zudem gibt es östlich des Rheines und nördlich des Main kein Gebirge welches nach seiner Darstellung als schluchtenreich zu bezeichnen ist. Auch der heutige Teutoburger Wald hat allenfalls eine eher gemäßigt bergig topographische Struktur, mit überwiegend flacheren Bodensenken. Das hügelreiches Gelände der römischen Kampfweise nicht widersprach, macht zudem diese Textstelle bei Tacitus deutlich: (Tac.Ann.II.14)

  2. "die Bäume standen dicht und überhoch gewachsen, so dass die Römer schon vor dem feindlichen Überfall mit dem Fällen der Bäume, dem Bauen von Wegen und Brücken, wo es sich erforderlich machte, große Mühe hatten."  Übergroße Bäume stehen nicht dicht beieinander, da ihre ausladenden Kronen andere Bäume in ihrem Wachstum behindern. Hier wird dem Leser eine Landschaft geschildert die das Klischee bedient, welches die Römer von der Landschaft Germaniens hatten (Gewaltige Bäume, unwirtlicher Urwald). Diese Passage vermittelt den Eindruck als würde sich das Heer des Varus durch einen schier undurchdringlichen Dschungel fortbewegt haben, und verkennt dabei die Tatsache, dass ein römisches Heer egal unter welcher Führung bei seinen Märschen, gerade durch unbekanntes Gelände, eine gründliche vorherige Geländeerkundung über den Marschweg hatte. Die Legionen wären niemals ohne eine vorherige Aufklärung einfach drauflos gezogen. Varus mag ein wenig unbedarft gewesen sein, seine Heerführer waren es mit Sicherheit nicht. Außerdem befanden sich die Römer nicht in einem ihnen unbekannten Land. Durch vorherige Expeditionen und Feldzüge besaßen die Römer eine gewisse Ortskenntnis auf die sie bei diesem Feldzug mit Sicherheit zurückgegriffen haben.

  3. "Sie führten auch viele Wagen und Lasttiere mit sich, wie mitten im Frieden. Dazu folgten ihnen nicht wenige Kinder und Frauen sowie der übrige riesige Tross, so dass sie schon deshalb weit auseinander gezogen marschieren mussten."  Diese Textstelle liest sich als wären die Varuslegionen gutgelaunt zu einen Campingausflug aufgebrochen. Die XVII, XVIII und XIX Legion waren nach Paterculus die tapfersten und kriegserfahrendsten von allen Armeen der Römer (Vell.Hist.119/2). Gerade diese Legionen besaßen eine erfahrene Führung und ein Heer welches mit den landschaftlichen Gegebenheiten in Germanien vertraut war, und die eine derartig beschriebene lockere  Marschzusammensetzung während eines Feldzuges nicht toleriert hätten.  

  4. "Gleichzeitig brachen noch heftiger Regen und Sturm los und zersprengten sie noch mehr;"  Das Wetter kann nicht geplant ursächlich für die Niederlage des Varus gewesen sein. Für Arminius stand der Ort und der Zeitpunkt des Überfalles schon lange fest, bevor überhaupt das Wetter in eine Schlachtplanung mit einbezogen werden konnte. Es mag während der Kämpfe geregnet haben, aber der Hinterhalt musste schon in der Planung bei jeder Wetterlage vernichtend und unausweichlich sein. An dieser Textstelle bedient Dio ein weiteres Klischee welches von Germanien vorherrschte (immerwährend regnerisches Wetter), während in den anderen Quellen zur Varusschlacht das Wetter keine Rolle gespielt zu haben scheint.

  5. "der Boden, um die Wurzeln und unten um die Baumstämme herum schlüpfrig geworden, machte jeden Schritt für sie zu einer Gefahr" Sollte der Boden wirklich schlüpfrig gewesen sein, dann waren die Römer mit ihren Sandalen mit genagelten Sohlen gegenüber den Germanen, die wenn überhaupt nur einfaches Schuhwerk hatten, aufgrund der besseren Standsicherheit klar im Vorteil.

  6. "abbrechende und herabstürzende Baumkronen schufen ein großes Durcheinander" Demnach muss ein gewaltiger Sturm geherrscht haben, denn in einem natürlichen Mischwald der den Widrigkeiten des Wetters durch seinen Wildwuchs robuster gegenübersteht, brechen bei einem einfachen Sturm nicht Baumkronen in derartig großer Anzahl ab, um ein ganzes Römerheer in Verwirrung zu bringen. Ein Sturm in dieser geschilderten Dimension hätte sicherlich auch die Germanen in gleichem Maße wie die Römer während des Kampfes behindert.

Schon diese ersten vier Sätze in Cassius Dios Beschreibung über den Verlauf der Varusschlacht tendieren offensichtlich in die Richtung, dem Leser eine Rechtfertigung der Niederlage eines römischen Heeres zu bieten. Dabei ist es nicht der genial geplante und vernichtende Hinterhalt der Germanen, der eine Würdigung verdient hätte, oder die offensichtliche militärische Unterlegenheit der Legionäre in dieser Situation, sondern einzig widrige und unverschuldete Umstände versuchen das römische Debakel schon im Vorfeld zu entschuldigen.

Auch der weitere Verlauf der Clades Variana wird von ihm in der gleichen Erzählweise geschildert:

  1. "Anfangs schossen sie nur von weitem, dann aber, als sich keiner wehrte und viele verwundet wurden, begannen sie den Nahkampf." Diese Textstelle liest sich, als hätten sich die Römer schon bei den ersten germanischen Angriffen ihrem Schicksal ergeben, und sich wie die Kipphasen in einer Schießbude von den Germanen abschießen lassen. Die einzige Distanzwaffe der Germanen waren Speere, die sie nach Tacitus Angabe (Tac.Germ.6) weit schleudern konnten. Die römischen Legionäre jedoch waren durchaus in der Lage diese Speere mit ihren groß dimensionierten Schilden abzuwehren, zumal ihre Rüstung diese Wurfgeschosse, wenn sie auf den Körper auftrafen, in ihrer Wirkung stark abschwächten. Andererseits waren die Römer weit mehr in der Lage, die aus der Distanz angreifenden Germanen, ihre umso effektiveren Distanzwaffen auf überwiegend ungeschützte Körper entgegen zu schleudern. Mit dieser Strategie konnten die Germanen das römische Heer nicht in ernste Verlegenheit bringen.

  2. "dann verbrannten sie die Mehrzahl der Wagen und alles andere, was sie nicht unbedingt brauchten,"  Die Erhaltung des Trosses mit der Verpflegung war überlebenswichtig für die Legionäre, die sich ja nach Dios Aussage weitab von jedem Versorgungsstützpunkt befanden.

  3. "oder auch über die Baumwurzeln stolperten." Schon wieder die Baumwurzeln. Davon abgesehen dass es so viele Baumwurzeln in einem durchschnittlichen seinerzeit vorherrschenden Mischwald gar nicht gegeben haben kann (Mann schaue sich nur einen  mit normalen Baumwuchs bewachsenen Eichen- und Buchenmischwald an), dann waren diese Baumwurzeln sicherlich auch für die Germanen gleichermaßen hinderlich.

  4. "als erneut ein starker Regen und ein furchtbarer Sturm sie überfielen," Und  erneut das schlimme Wetter in germanischen Gefilden.

  5. "Denn Pfeile, Wurfspieße, sogar auch die Schilde waren, da alles völlig durchnässt war, kaum zu benutzen." Dass Pfeile nicht zu benutzen waren, weil die Sehnen der Bögen durch dauernde Nässe unbrauchbar wurden, lässt sich in gewissem Maße nachvollziehen, aber das römische Pilum (Wurfspieß) und das Scutum (Schild) sollten selbst bei Dauerregen ihre Funktionen erfüllt haben.

  6. "Dazu konnten sie, da ihre Zahl sich stark vergrößert hatte - denn von den übrigen, die vorher noch vorsichtig gewesen waren, eilten viele herbei, hauptsächlich um Beute zu machen, - jene, deren Zahl sich bereits verringert hatte - denn viele waren in den vorhergehenden Kämpfen gefallen -, leichter umzingeln und niederhauen." Arminius hatte sicher schon vor dem ersten Angriff eine Armee beisammen, die das römische Heer besiegen konnte. Das sich gerade in dem Moment als sich ein Sieg für die Germanen abzeichnete, vordem unentschlossene und abwartende Krieger anschlossen, und dieses von den Kämpfern die von Anfang an am Kampfgeschehen teilnahmen geduldet wurde, scheint eher unrealistisch zu sein. Es ging schließlich um eine gewaltige Menge an Beutegut welches unter den Siegern aufgeteilt wurde.

  7. "Die einen folgten dem Beispiel ihres Feldherrn, die anderen warfen ihre Waffen weg und ließen sich von dem ersten besten töten," Die absolute Resignation von den ersten bis zur letzten Minute. Kein Anzeichen von Siegeswillen oder Kampfbereitschaft. Römische Heerführer handelten nach einem gewissen Ehrenkodex wenn sie sich nach einer Niederlage selbst gerichtet haben, aber der normale Legionär hat sich sicherlich nicht wie auf der Schlachtbank abschlachten lassen. Dazu ist der Überlebenswille beim Menschen grundsätzlich zu stark ausgeprägt.

Den Abschnitt des Dio Berichtes über die Belagerung des Kastelles Aliso kann  unter Vorbehalt für einen Lokalisierungsversuch herangezogen werden, denn es ergeben sich hier keine Diskrepanzen die den anderen Darstellungen widersprechen würden. Hier schrieb Dio folgende Sätze: (Cass.Rom.26,20,1). Auch hier neigt Cassius Dio zu einer ausschweifenden Detailverliebtheit, wobei zwischen Wahrheit und Dichtung schwer unterschieden werden kann. Jedoch kann man aus dieser Textstelle herauslesen, dass Dio das von den Germanen belagerte Kastell mit dem Lager Aliso gleichsetzt. Und dieses Römerlager kann nach dieser Darstellung nicht allzu weit im Landesinneren gelegen haben, sondern müsste in der Nähe des Rheines wieder zu finden sein. Denn andernfalls wäre ein erfolgreicher Fluchtversuch der eingeschlossenen Römer über eine längere Distanz nicht wahrscheinlich.

Warum Cassius Dio diese Erzählweise gewählt hat und warum die meisten Varusschlachtforscher ihm, trotz dieser offensichtlich nicht wahrheitsgetreuen Aussagen, fast bedingungslos gefolgt sind, scheint genauso rätselhaft zu sein wie die Varusschlacht selbst. Entweder passte es nicht in das Weltbild des Dio, die allseits überlegene und siegreiche römische Armee, von einem Haufen "kulturloser" Barbaren vernichtend geschlagen darzustellen, oder Dio hatte für seine Varusschlachtbeschreibung keine nach seinem Sinne verwertbare Aufzeichnung, auf die er zurückgreifen konnte, und hat so seiner Phantasie freien Lauf gelassen. 

Bei dem auf dieser Webseite vorgenommenen Lokalisierungsversuch nach der Quellenlage, spielen die Beschreibungen zur Varusschlacht von Cassius Dio, aus diesen nachvollziehbaren Gründen keine ausschlaggebende, sondern allenfalls eine ergänzende Rolle.

 

 

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