Was geschah in Kalkriese?
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Wenn
sich diese ganzen vorgenannten Widersprüche gegen eine Varusschlacht in der Niewedder
Senke aussprechen, so steht nun die Frage im Raum, welches Ereignis sich
hier dann einstmals zugetragen hat. Wie vordem schon angedeutet, kann es
sich hier dann nur um eine Begebenheit im Zusammenhang mit den Vorstößen
des römischen Heerführers Germanicus handeln, denn in dem Zeitraum
zwischen der Varusschlacht und den Germanicusfeldzügen sind uns keine
Überlieferungen, über einen so Tief ins germanische Hinterland geführten
römischen Vorstoß bekannt. Auch aus strategischen Gesichtspunkten wäre
ein Einfall kurze Zeit nach der Varusschlacht, tief ins germanische
Kernland, nicht realistisch, denn die Römer mussten in dieser
Zeitperiode vorrangig bestrebt sein, die Verhältnisse an der
Rheingrenze neu zu ordnen und diese Grenzlinie gegen einen erwarteten
Germaneneinfall abzusichern.
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Die Schlacht an den Pontes Longi
Die Schlacht am Angrivarierwall
Die Strategie des Arminius
Die Erdwälle
Der Reitersporn |
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Die Schlacht an den Pontes Longi
Für
viele Gegner der Theorie der Varusschlacht in Kalkriese, haben sich hier
im Jahre 15 die Kämpfe zwischen den Legionen des Caecina und dem Heer
des Arminius, an den langen Brücken (Pontes Longi) ereignet. Dieses
gründet auch auf der Tatsache, dass in der näheren Umgebung von
Kalkriese alte Bohlenwege nachgewiesen werden konnten, die in etwa in
das Zeitfenster der Germanicusfeldzüge passen könnten. Aber abgesehen
davon, dass Bohlenwege grundsätzlich nichts Ungewöhnliches für alte
Wegtrassen in Germanien sind, passen diese Annahmen nicht mit dem in der
Histographie einzig verwertbaren Bericht des Tacitus über diese Zeit
überein (Tac.Ann.I/63). Durch die Annalen des Tacitus wissen wir, dass Germanicus sich
an der Ems befand und von dort aus Caecina den Auftrag gab unverzüglich
über die Pontes Longi zum Rhein zurückzukehren. Daher müssen die Pontes
Longi eindeutig westlich der Ems zu finden sein. Allein diese Angabe reicht
aus, um den Kalkriese = Pontes Longi Anhängern eine Absage für ihre
Theorie zu erteilen.
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Die Schlacht am Angrivarierwall
So drängt sich
hier die Überlegung auf, dass in der Niewedder Senke bei Kalkriese
ein Ereignis der Germanicusexpedition im Jahr 16 stattgefunden haben
müsste, und speziell die Schlacht am so genannten Angrivarierwall passt
nach der Überlieferung für dieses Gelände mit dem Sumpf, dem bewaldeten
Berg, der Hunte als Fluss, den vorgelagerten Erdwällen und der flachen
Ebene dazwischen. Denn folgt man den Aussagen des Tacitus, (Tac.Ann.II.19) dann ergeben
sich verblüffende Übereinstimmungen mit den landschaftlichen
Gegebenheiten die er beschreibt, und der Gegend in der Niewedder Senke.
Auch gibt es zwischen dem Bericht des Tacitus und den archäologisch ergrabenen Resultaten verblüffende Gemeinsamkeiten, die im Grunde keine
andere Schlussfolgerung zulassen, als dass es sich hier um den Ort
handeln muss, wo Arminius mit seinen Kriegern die Schlacht am
Angrivarierwall gegen Germanicus ausgefochten hat.
Germanicus kam demnach von Gebieten an der Weser wo er in der Schlacht bei
Idistaviso einen Sieg gegen die Germanen errungen hatte, und wollte zu seinen
Schiffen an der oberen Ems zurückkehren. Dazu wollte er offenbar den Osning auf
einer nördlichen Route durchqueren. Für den Strategen Arminius war klar, dass
der Zug der Römer durch dieses Gebiet am Wiehengebirge ziehen würde, denn hier
befand sich ein alter, den Römern bekannter Verkehrsweg, der geeignet war um ihn
mit ihren Legionen zu passieren. Die Angriffe auf die Marschkolonne im Vorfeld
der eigentlichen Schlacht mögen dabei auch den Zeck verfolgt haben, das
Germanicusheer in eine bestimmte Richtung zu lancieren.
Tacitus
schreibt zur Geländebeschaffenheit des Schlachtfeldes beim
Angrivarierwall folgendes: “Volk und Adel, alte
und junge Leute stürzten sich plötzlich auf die römische Marschkolonne
und brachte sie in Verwirrung. Zuletzt suchten sie sich einen Kampfplatz
aus, der vom Fluss und Wald umschlossen war und in dem sich eine schmale
sumpfige Fläche befand. Auch um das Waldgebiet zog sich ein tiefer
Sumpf, nur eine Seite hatten die Angrivarier durch einen breiten Damm
erhöht, der die Grenzlinie zu den Cheruskern bilden sollte. Hier ging
das Fußvolk in Stellung. Die Reiterei nahm in den nahe gelegenen
Lichtungen Deckung, um den Legionen, sobald sie in den Wald
einmarschiert seien, in den Rücken zu fallen.“
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Der Germanicusfeldzug des Jahres 16 nach Tacitus
Rot = Mutmaßlicher Weg Germanicuslegionen
1 X= Mutmaßlicher Ort der Schlacht
bei Idistaviso
2 X= Mutmaßlicher Ort der Schlacht
am Angrivarierwall (Kalkriese)
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Eine
Eigenschaft die Arminius als Heerführer auszeichnete, war sein
ausgeprägtes Strategieverständnis, mit dem er landschaftliche
Gegebenheiten in seine Kampftaktik einarbeitete. Da die Germanen den
Römern in offener Feldschlacht klar unterlegen waren, suchte sich
Arminius bei seinen Kämpfen nach Möglichkeit immer Geländeprofile aus,
die der germanischen Kampfweise zugute kamen und der römischen
widersprachen. Das Gebiet um die Niewedder Senke entsprach seinen
Ansprüchen, die er an einen Kampfplatz stellte, denn hier konnte er
versuchen, den Römern seine Taktik aufzuzwingen. Diesen Engpass, am Fuß
des Kalkrieser Berges mussten die Römer auf ihrem Marsch zur Ems
durchqueren, und hier wollte sich der germanische Heerführer dem Heer
des Germanicus entgegenstellen.
Bei
Tacitus heißt es, dass sich Arminius zuletzt einen Kampfplatz mit
gewissen Voraussetzungen aussuchte. Nach archäologisch ermitteltem, kaum
bestrittenem Wissensstand handelt es sich bei dem Schlachtfeld von
Kalkriese gleichfalls auch um den Endpunkt einer Schlacht, was als
erstes Indiz für das Ereignis im Jahre 16 an diesem Ort sprechen würde.
Ein
weiteres Merkmal welches in Kalkriese für die Schlacht am
Angrivarierwall spricht, ist das Vorhandensein der Erdwälle entlang
eines mutmaßlichen Marschweges in der Niewedder Senke. Denn der
Tacitusbericht über diese Schlacht erwähnt ausdrücklich und einmalig
während der Zeit der Germanenkriege, bei einer Auseinandersetzung
zwischen Germanen und Römern, dass ein derartiger Erdwall bei einem
Kampfgeschehen eine Rolle spielte.
Zum Angrivarierwall sei an dieser
Stelle eine Bemerkung zur langläufigen Interpretation dieser Tacitusstelle
gestattet, die diesen Erdwall als einen ehemaligen
Grenzwall zwischen den Angrivariern und den Cheruskern deutet. Abgesehen
davon, dass es sich dann hierbei um das einzige bekannte, befestigte
Grenzbauwerk zwischen zwei Germanenstämmen zu dieser Zeit handeln würde, scheint es
Unwahrscheinlich, dass sich zwei Germanenstämme mit einem dann sicher
viele Kilometer langen Grenzwall, abgrenzten. Diese Annahme lässt sich nicht mit
den damaligen territorialen Strukturen der germanischen Stammesgebiete
vereinbaren.
Auch die
Tatsache, dass die Angrivarier währen des Germanicusfeldzuges auf der Seite der Cherusker standen,
macht eine derartige Auslegung der Textstelle bei Tacitus unglaubhaft.
Vielmehr zählten wahrscheinlich die Erdwälle selbst und die Art ihrer
Anlage zu einem ausgeklügelten Konzept, um die Römer erneut in einem
Hinterhalt des Arminiusheeres gelangen zu lassen.
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Die Strategie des Arminius
Die Strategie die Arminius für
diese Schlacht wählte, mag wohl folgendermaßen ausgesehen haben. Die mit
Arminius verbündeten Angrivarier sollten die als Verteidigungsstellung
ausgebauten Erdwälle, die parallel der voraussichtlichen römischen
Marschroute, am Kalkrieser Berg verliefen, besetzen, und Germanicus zum
Angriff auf diese offen erkennbare Stellung der Germanen verleiten.
Während die Römer versuchen
würden die Erdwälle zu erstürmen und in den dahinter liegenden Bergwald
einzumarschieren, wollte Arminius mit seinem Heer, das sich in den
Wäldern und Sümpfen im nördlichen Bereich der Senke verborgen hielt, aus
der Deckung hervorbrechen und die Römer die vor dem Wall kämpften in
ihrem Rücken fassen, und so das Heer des Germanicus zwischen zwei
Fronten aufreiben.
Germanicus durchschaute jedoch die germanische Taktik denn Tacitus
schrieb (Tac.Ann.II/20): „Dem Caesar blieb von diesen Maßnahmen nichts verborgen. Er
kannte die Absichten und die Stellungen der Feinde, ob sie nun offen vor
Augen lagen oder verborgen waren, und ihre schlauen Berechnungen suchte
er in ihr Verderben zu verwandeln. Dem Legaten Seius Tubero übergab er
die Reiterei und wies ihm das ebene Feld zu. Das Fußvolk stellte er so
zum Kampf auf, dass ein Teil auf ebenen Gelände an den Wald heranrücken
und in ihn einmarschieren und der andere den vor ihnen liegenden Erdwall
erklimmen sollte. Diese schwierige Aufgabe behielt er sich persönlich
vor, alles Übrige überließ er den Legaten.“ Demnach teilte
Germanicus sein Heer in drei Formationen, wobei ein Teil des Fußvolkes
nach Süden abzweigte und gegen den Erdwall der von den Angrivariern
besetzt war, anstürmte. Der andere Teil des römischen Fußheeres stieß
nach Norden in den Wald vor, in dem die verborgenen germanischen
Einheiten positioniert waren. Die Reiterei stand zwischen den beiden
römischen Angriffskeilen und hatte die Aufgabe den Rücken der jeweiligen
Fußeinheiten frei zu halten.
Und
weiter: “Diejenigen, denen das ebene Gelände
zugewiesen war, brachen mühelos in den Wald ein; diejenigen jedoch, die
den Erdwall zu erstürmen hatten, hatten, wie wenn sie an eine Mauer
vorrückten, unter einer schweren Beschießung von der Mauer herab zu
leiden. Der Heerführer erkannte, wie ungleich dieser Nahkampf war. Er
zog dagegen die Legionen ein wenig zurück und befahl den Schleuderern
und Wurfschützen, ihre Geschosse zu werfen und den Feind vom Wall zu
vertreiben. Von den Geschützen wurden Speere abgeschossen, und je
sichtbarer die Verteidiger waren, mit umso größeren Verlusten wurden sie
heruntergeworfen. An der Spitze seiner Prätorianerkohorten eroberte der
Caesar den Wall und trat zum Sturmangriff auf den Wald an, wo man Mann
gegen Mann rang. Den Feind riegelte im Rücken der Sumpf, die Römer der
Fluss oder die Berge ab. Beide Teile mussten unbedingt ihre Stellung
behaupten, sie konnten nur auf ihren Mannesmut sich verlassen und nur
von einem Sieg Rettung erhoffen.“
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Der Einzug des Germanicus in die Niewedder Senke
Schwarze Linien =
Lage der Rasensodenmauer in der Niewedder Senke
Schwarzer Pfeil=Zug
des gesammten Germanicusheeres
Rote Pfeile=
Germanicus Angriffe auf den Angrivarierwall
Blauer Pfeil=Legat
Tuebo
Grüner
Pfeile=Übriges Germanicusheer gegen die Stellungen des Arminius
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Bei den
erwähnten Ortsangaben des Tacitus kann es sich bei dem Sumpf der die
Germanen in Ihrem Rücken abriegelte nur um das große Moor gehandelt
haben, vor dem die Germanen des Arminius postiert waren, und bei dem
Berg und dem Fluss der die Römer in ihrem Rücken hinderte waren
anscheinend der Kalkrieser Berg, den nun die Römer besetzt hielten, und
die Hunte als Fluss gemeint.
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Die Erdwälle
Vergleicht man die Ausgrabungsergebnisse mit der Schilderung des
Geschichtsschreibers Tacitus, dann lassen sich Deckungen erkennen, die
seine Beschreibung durchaus bestätigen. Einer der von den Archäologen in
Kalkriese ausgegrabenen Erdwälle auf dem Oberesch, ist nach der Fundlage
der unter ihm aufgefundenen römischen Militaria und Münzen, schon bei
den Kampfhandlungen zum Einsturz gebracht worden, und lässt an eine
Eroberung dieses Verteidigungswalles durch die Römer denken. Auch die
Fundstreuung der römischen Münzen und Militaria im nordwestlichen
Bereich der Niewedder Senke, bestätigen die Angaben des Tacitus, das
hier ein Teil der Legionen auf breiter Front gegen die im Wald
postierten Verbände des Arminius vorgegangen sind, und mit diesen über
mehrere Kilometer hinweg, in Kämpfe verwickelt waren.
Der Reitersporn
Auch der
Fund des Reitersporns als bisher einzigen Beleges germanischer
Anwesenheit in der Niewedder Senke deutet eher auf diesen Ort als das
Schlachtfeld am Angrivarierwall hin. Denn während Tacitus bei dieser
Auseinandersetzung ausdrücklich von der Anwesenheit germanischer
Reiterverbände spricht, ist es fraglich ob bei einer Varusschlacht an
diesem Ort, germanische Reitereinheiten bei der von den
Kalkrieseausgräbern geschilderten Kampfesweise effektiv genug waren, um
siegreich gegen die Römer zu bestehen.
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Der Wall von Kalkriese |
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