Die Erdwälle in der Niewedder Senke

Da diese in Kalkriese ausgegrabene Münzverteilung allenfalls als ein Indiz für eine Varusschlacht in der Niewedder Senke taugt, waren die Archäologen an diesem Ausgrabungsort bemüht weitere Beweise für den Untergang der Varuslegionen an diesem Ort zu finden. Einer der Beweise der die Kalkriesetheorie untermauern sollte, war die Lokalisierung mehrerer Erdwälle, die zur Zeit der Kampfhandlungen den Kalkrieser Berg auf etwa zwei Kilometern Länge umschloss, und ihn von dem staunassen Bereich der Niewedder Senke abgrenzte. Nach Aussage der Kalkrieseausgräber dienten diese Wälle als Ausgangspunkt des germanischen Angriffs, auf die Varuslegionen. Von diesen Wällen sollen sich die germanischen Krieger auf die langgestreckte römische Marschkolonne gestürzt haben, um dann nach erfolgter Attacke hinter diesen Erdmauern Schutz, vor den gegebenenfalls nachsetzenden Römern zu suchen. Gleichzeitig sollten diese Wälle verhindern, dass die Römer in die dahinter liegenden germanischen Stellungen eindringen, und dabei die nicht allzu dicht stehende Schlachtreihe der Germanen durchbrechen. Soweit die scheinbar gut argumentierten Interpretationen der Kalkrieseausgräber. Aber gerade diese Erdwälle bringen bei genauer Betrachtung diese Erklärungsversuche ins wanken. Allein die Tatsache, dass an keiner Stelle einer Varusschlachtüberlieferung irgendwelche Erdwälle erwähnt werden, die den angreifenden Germanen zweckdienlich waren, macht die Annahme der Existenz dieses Bauwerkes während der Varusschlacht schon vorweg zu einer reinen und zudem sehr wagen Spekulation.

Allgemein bekannt und nicht in Frage gestellt, ist die Tatsache, dass Varus mit seinem Heer in einem Hinterhalt vernichtet wurde. Damit ein Hinterhalt, oder anders gesagt, eine Falle zuschnappen kann, muss, und das wird jeder Militärfachmann bestätigen, derjenige gegen den dieser Hinterhalt gerichtet ist, bis zum letzten entscheidenden Moment ahnungslos über die ihn bedrohenden Vorraussetzungen sein. Wenn das Opfer merkt dass es in eine Falle getappt ist, muss es schon zu spät für eine Erfolg versprechende Gegenreaktion sein.

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Erdwall von Kalkriese

Der Erdwall von Kalkriese/Frontseite

Bei der Schlachttheorie die sich für Kalkriese als Ort der Varusschlacht ausspricht wird oftmals der Eindruck erweckt, dass Varus und seine Legionen, ähnlich wie bei der Rückkehr von einem Campingausflug, leichtsinnig und sorglos, quasi wie Tiere zur Schlachtbank in ihr Verderben hinein, an diesem Wall entlanggezogen sind. Dabei wird leicht übersehen, dass es für die Römer bei einer militärischen Operation, mit einem solch gewaltigen Heer in einem bekannten oder unbekannten Terrain, ein immenses Maß an logistischem Aufwand erforderte, um sich voran zu bewegen. Varus mag sorglos gewesen sein, aber sein Führungsstab mit Sicherheit nicht. Die Römer waren nicht in der Lage mit ihrem Heer einfach geradewohl drauf los zu ziehen, sondern Kundschafter mussten vorausgeschickt werden um das Gelände für einen Durchmarsch zu sondieren. Gleichzeitig musste schon ein Lagerplatz für die nächste Etappe ausgewählt werden. Zudem wurde zweifellos nicht nur der vermeintliche Marschweg erkundet, sondern auch weite Bereiche neben der Wegtrasse auf ihre Sicherheit überprüft. Danach mussten Pioniere den Weg von Hindernissen befreien und so befestigen, dass anschließend das Heer mit dem Tross durchziehen konnte. Bei diesem Aufwand im Vorfeld des eigentlichen Marschzuges, wäre ein derartig angelegter Hinterhalt in der Niewedder Senke, mit den deutlich sichtbaren Erdwällen frühzeitig erkannt worden. Die römische Heerführung hätte sofort bei der Entdeckung der Wallanlagen entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet und damit den Plan eines Hinterhaltes zunichte gemacht. Diese Tatsache musste Arminius einkalkulieren als er seinen Plan ausarbeitete, und aus diesem Grunde musste er alles vermeiden, was das Misstrauen der Römer erwecken konnte. Ein derartiger Plan für einen Hinterhalt wäre nicht ausgesprochen schlau, sondern aus militärischen Gesichtspunkten eher Dilettantisch.

Der Erdwall von Kalkriese

Der Erdwall von Kalkriese/Rückseite

Aber auch wenn der gesamte römische Stab entschieden hätte, sorglos in die Senke einzuziehen, so hätte sich noch der größte Teil der Varusarmee außerhalb dieses Engpasses befunden als der Kampf begann. Denn der Heerzug der etwa 20000-30000 römischen Soldaten war nach seriösen Berechnungen mindestens 15 Kilometer lang. In diesem Fall hätten sich die Legionen aus dem Kampfgebiet zurückziehen und sammeln können, um nach einem koordinierten Manöver, der Einkesselung zu entgehen. Die Vermutung das die Varuslegionen durch massive Attacken der Germanen in ihrem Rücken, zum Einmarsch in die Niewedder Senke gezwungen waren, erhält bisher keinerlei Bestätigung durch Ausgrabungsergebnisse, denn dann hätten auf dem mutmaßlichen Marschweg zwischen Venne und Lübbecke, im Laufe der intensiv geführten Untersuchungen, zumindest einige aussagekräftige Bestandteile römischer Militaria, die dann durch äußerst heftige Kampfhandlungen in den Boden gelangt wären, gefunden werden müssen. Auch hätte das Geländeprofil östlich der Senke seinerzeit unter Umständen das Ausweichen des Marschzuges in nordwestlicher Richtung ermöglicht, und damit hätten die römischen Legionäre nicht den Bereich der Erdwälle passieren müssen.

Grundsätzliche Widersprüche

Widersprüche zur Quellenlage

Beurteilung der Funde von Kalkriese

Die Knochengruben

Was geschah in Kalkriese?

 Fazit 

Auch die Anlage der Erdmauern in der Landschaft lässt an eine ehemalige Angriffstellung der Germanen zweifeln, sondern weißt durch die Art ihrer Erbauung klar auf eine Verteidigungsstellung hin. Um die Römer bei ihrem Vorbeimarsch an den Erdwällen erfolgreich zu bekämpfen, war es für die Germanen bei dem von den beteiligten Archäologen angenommenen Szenario, unbedingt erforderlich den Nahkampf zu suchen. Denn da für die Germanen keine Fernkampfwaffen wie zum Beispiel Pfeil und Bogen oder Schleudergeschosse überliefert oder anderwärtig bekannt sind, blieben nur Wurfspeere als germanische Distanzwaffen. Deren wirksame Reichweite von etwa 20-30 Metern konnten sich die Römer auf ihrem Weg an den Wällen vorbei durch Einhaltung eines gewissen Abstandes entziehen. Gleichfalls war es den Römern möglich diesen Beschuss durch die Benutzung ihrer breiten Schilde abzuwehren. So bliebe unter diesen Umständen nur als einzig wirkungsvolle Angriffstaktik, dass massive Herabstürzen der Germanenkrieger von den Erdwällen auf den Römischen Marschzug herab, um das römische Heer dann so im Nahkampf niederzuringen. Gegen dieses Vorgehen an diesem Ort sprechen aber die Palisaden aus Flechtwerk die auf der Krone dieser Wälle nachgewiesen wurden. Diese wären bei einem Sturmangriff von diesen Anhöhen herab eher störend gewesen. Ein Hervorbrechen der Germanen aus den Durchlässen zwischen den Wällen heraus, hätte auf die Stellungen der Römer keinen massiven Angriffsdruck hervorgerufen, der erforderlich gewesen wäre, um die römischen Schlachtformationen aufzubrechen.

Auch durch die Tatsache, dass nachdem sich der Kalkrieser Engpass nach Westen hin erweitert, weitere Erdwälle am Hang des Kalkrieser Berges vermutet werden, läst an eine Hinterhaltsstellung zweifeln. Denn sollte diese Falle perfekt geplant sein, und in der Niewedder Senke ihren Endpunkt gehabt haben, so ergeben weiter Erdwälle in dem für diesen Hinterhalt nicht mehr erforderlichen Bereich keinen Sinn mehr. Vielmehr würde es für einen Hinterhalt, bei dem der Gegner durch Wälle eingekesselt werden soll Sinn machen, wenn die Wälle den Marschweg am Endpunkt des Kessels abriegeln und so einen Weitermarsch verhindern würden. 

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So scheint es nach der Betrachtung dieser Argumente offensichtlich zu sein, dass es sich bei diesen Wällen nicht um ein Angriffs- sondern ein Verteidigungsbauwerk handeln muss, welches für einen bei der Varusschlacht angenommenen Hinterhalt nicht zweckmäßig sondern eher hinderlich war. Vielleicht sollten sich einmal ausgewiesene Militärfachleute diesem Problem nähern, um mit ihrer Kompetenz gewisse Entscheidungsträger im Ausgrabungsprojekt Kalkriese aus ihren naiven Träumen zu wecken. Denn schon für einen Halblaien scheint die Annahme eher lächerlich zu sein, dieser Wall sei ausschlaggebend für die Niederlage der drei Legionen gewesen. Bei den Römertagen von Kalkriese 2007 waren verschiedene Reenactmentgruppen anwesend, die das Szenario der Varusschlacht an dem rekonstruierten Erdwall anschaulich darstellen wollten. Was als eine Demonstration der römischen Niederlage gedacht war, und damit als eine Bestätigung dieser Varusschlachttheorie diene sollte, entwickelte sich jedoch eindeutig in ein Beispiel für die Unwahrscheinlichkeit dieses Ereignisses an diesem Ort. Eine Filmsequenz über den vermeintlichen "Hinterhalt" auf der Internetplattform YouTube gibt ein deutliches Bild dafür, wie sich die Varusschlacht mit Sicherheit nicht zugetragen hat.  http://www.youtube.com/watch?v=gwr-em48BOQ Römische Abteilungen rücken geschützt durch ihre Schilde vor den Wall und attackieren die in schmaler Schlachtreihe auf der Wallkrone stehenden Germanen, die dabei ein vorzügliches Ziel für die römischen Wurfspeere abgeben. Sich von dem Wall auf die Römer herabzustürzen, wird für die Germanen von dem Flechtwerkzaun auf dem Wall verhindert, so dass sie nur durch die Walldurchlässe in der Lage sind, mit den Römern den Nahkampf zu suchen. Dieses vereinzelte Hervorstürmen dürfte von den römischen Legionären dankbar erwartet worden sein, denn unter diesen Umständen war es für die Römer ein leichtes, diesen "Angriff" abzuwehren und ihn für sich zu entscheiden. Es ist verwunderlich, dass einige Reenactmentgruppen, die ansonsten wichtige Beiträge zur Erforschung unserer Geschichte leisten, sich kritiklos für dieses Spektakel in Kalkriese einspannen ließen, und sich nicht deutlich von dieser offen sichtbaren und damit unglaubhaften Varusschlachttheorie abgrenzten.

 

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