Varus

Im Jahr 6 nach Christus sollte der entscheidende Schlag gegen den Markomannenkönig Marbod geführt werden, doch die Ereignisse in Pannonien und Dalmatien veränderten die strategische Lage für die römischen Legionen bedeutend (Vell.Hist.108). Nun galt es zuerst eine direkte Gefahr für das Römische Reich abzuwenden. Tiberius wendete sich mit einem Teil der in Germanien stationierten Legionen, die schon für den Angriff auf Marbod bereitstanden, dem neuen Brandherd zu. Mit Varus setzte Augustus einen neuen Statthalter in Germanien ein (Vell.Hist.117/2, Cass.56/18) .

Publius Quinctilius Varus (der O-beinige) wurde in Rom im Jahre 47v.Chr. als Spross einer wohlhabenden Familie geboren. Der Vater nahm sich im Jahr 42 v. Chr. nach der Schlacht bei Philipi das Leben. So kam er zu Verwandten von denen der verwaiste 4jährige Junge eine gute Ausbildung erhielt. Er schlug wie viele vornehme Römer die Beamtenlaufbahn ein, und begleitete den Kaiser Augustus als Quästor in den Jahren 22-19 vor Christus auf dessen Orientreise. Er war daraufhin in Pergamon und Athen tätig was durch zwei erhaltene Ehreninschriften belegt ist. Im Jahr 13 bekleidete er zusammen mit Tiberius das Konsulat, und ging danach in die allgemein vorgeschriebene fünfjährige Ämterpause. In dieser Zeit ehelichte er eine Enkelin der Octavia, der Schwester von Augustus. Im Alter von vierzig Jahren wurde ihm die wichtige Provinz Afrika als Prokonsul übertragen. Von dieser Aktivität sind einige Münzen aus den Städten Achulla und Hadrumetum erhalten. Nach der Statthalterschaft in Afrika übernahm er die Verwaltung in der Provinz Syrien und zeichnete sich dort im Großen und Ganzen durch umsichtiges Handeln aus. In wichtigen Fragen konsultierte er den Kaiser und überließ ihm die Entscheidung. Diese Tatsache zeichnete ihn in den Augen von Augustus zusätzlich aus, und qualifizierte ihn für eine Einsetzung als Statthalter in Germanien.

Varus abgebildet auf einer Münze aus Achulla

Die Bewertungen der antiken Schreiber, die erst nach der Niederlage der drei Legionen über Varus aufgestellt wurden, sind in der Beurteilung seiner Fähigkeiten als römischer Statthalter durchweg vernichtend. Velleius Paterculus beschreibt ihn als geldgierigen Statthalter in Syrien, der als armer Mann das reiche Syrien betrat und als reicher Mann das arme Syrien verließ. Auch gilt er bei ihm als milder Gemütsmensch mit ruhigem Temperament, der unbeweglich an Körper und Geist mehr das ruhige Lagerleben mochte, als den anstrengenden Felddienst. Als Feldherr gilt er bei ihm als schwächlich und unschlüssig. Sueton attestiert Varus Unbesonnenheit und Nachlässigkeit. Florus bescheinigt ihm ein sorgloses und ahnungsloses Verhalten im Umgang mit den Germanen und attestiert ihm eine grausame Gesinnung. Cassius Dio beschreibt Varus als jemanden der ohne Fingerspitzengefühl und mit übertriebener Autorität den Umgang mit den Germanen pflegte, sie als eine Art Untermenschen betrachtete und ihn letztendlich sogar als ängstlichen Menschen, der sich aus Furcht vor den Germanen selbst tötete.

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Diese negativen Urteile sind aber nur im Nachhinein von den Berichterstattern abgegeben worden, erkennbar mit dem Ziel diese erschütternde Niederlage zu entschuldigen und in Varus den Sündenbock dafür zu suchen. Aber zur Zeit der Berufung von Varus als Statthalter in Germanien brauchte Augustus jetzt hier im unruhigen Germanien keinen jugendlichen Heißsporn, der in erster Linie nur auf militärischen Ruhm bedacht war. Dem Caesar ging es jetzt vorrangig darum, den Status quo in der neu zu gründenden Provinz vorerst beizubehalten, und die Germanen langsam aber stetig zu Befrieden. Erst nach der Überwindung des Pannonischen Krieges sollten die Grenzen des Römischen Reiches wie geplant bis zur Elbe erweitert werden. Doch hier musste Augustus jetzt einen erfahrenen Verwaltungsfachmann einsetzen. Das war Varus ja unzweifelhaft auch, denn er hatte sich doch schon an anderen Orten als ein für solche Aufgaben geeigneter Mann bewährt.

 

Allerdings mag Varus nicht besonders erfreut über seine Abkommandierung nach Germanien gewesen sein, denn er war sicherlich auch den angenehmen Seiten des Lebens zugewandt. Und hier am Rande des römischen Imperiums wo Luxus ein Fremdwort war, und das kalte und regnerische Klima dem sonneverwöhnten römischen Gemüt zusetzte, gab es kaum Gelegenheit für ihn, seine gewohnt bequeme Lebensart auszuleben. Varus hatte gewiss den Auftrag die Verhältnisse in den rechtsrheinischen Gebieten weiter zu romanisieren, und die Germanen an die Römische Lebensart zu gewöhnen. Hingegen durfte er sich nicht auf große militärische Abenteuer einlassen, da es nach der Lage der Dinge im Moment nicht zu verantworten wäre, gleichzeitig zum Krieg in Pannonien und Dalmatien einen weiteren Substanz zehrenden Konflikt in den germanischen Gebieten zu suchen. Velleius Paterculus erwähnt ja auch zum Krieg in Pannonien, dass es gegen die Belange der Sicherheit ist, ein Heer im innersten Germaniens zu vergraben.

Die Gründe warum Varus scheiterte, liegen zum einen wohl in der Arroganz des Siegers über den Besiegten. Es verhielt sich damals wohl so wie es in der Geschichte der Menschheit oftmals geschehen ist. Der römische Statthalter zählte sicherlich zu den Römern die glaubten aus einer der germanischen Kultur und Lebensweise überlegenen Zivilisation zu stammen. Es hieß ja auch im Nachhinein über ihn: (Vel.Hist.117/3)“Als er Oberbefehlshaber des Heeres in Germanien wurde, bildete er sich ein, die Menschen dort hätten außer der Stimme und Gliedern nichts Menschenähnliches an sich, und die man durch das Schwert nicht hatte zähmen können, die könne man durch das römische Recht lammfromm machen“.

Ein eindrucksvolles Beispiel über die Motivation der Germanen, sich den Römern zu widersetzen liefert Tacitus in seiner Beschreibung über die verbale Auseinandersetzung zwischen Arminius und Flavus an der Weser (Tac.Ann.II/10). In seiner Überheblichkeit überging Varus die germanischen Traditionen und religiösen Riten, und versuchte die Römische Lebensart den scheinbar ungebildeten Barbaren unnachgiebig aufzuzwängen. Ein Großteil der Germanen hatte jedoch vollkommen andere Wertvorstellungen und sie sahen in den neuen römischen Sitten, unter anderem das fundamentale Wegbrechen ihrer moralischen Grundlagen. Allein die römische Rechtsprechung und die daraufhin folgende grausame Bestrafung, widersprach der einheimischen Gesellschaftsordnung, die vormals auf die strenge religiöse Ausrichtung der heimischen Gesetze eingestellt war. Diesen von der römischen Kulturwende ausgelösten Unfrieden in der germanischen Gesellschaft vermochte Varus nicht einzudämmen, sondern er verstärkte ihn im Gegenteil durch persönliche Anmaßung noch derart, dass es irgendwann zur Eskalation kommen musste. Nach einer Überlieferung achteten vorerst die Germanen mehr die römischen Schwerter als ihre Gesetze. Das kann nur soviel heißen, dass die gewaltige römische Militärpräsenz und die anscheinende Unbesiegbarkeit der Römer der Grund waren, warum sich ein Großteil der germanischen Völker vorläufig dem ihnen aufgebürdeten Diktat unterwarfen. Vorläufig verhielten sich die germanischen Stämme noch relativ ruhig gegenüber ihren Besatzern.

Warum Varus dem Arminius gegenüber ein solches Vertrauen entgegen brachte ist einfach zu erklären, denn dieser junge Cheruskerfürst bedeutete für Varus einen menschlichen Lichtblick, im Gegensatz zu den anderen Germanen mit denen der römische Statthalter Kontakt hatte. Arminius besaß sicherlich eine Ausstrahlung die Varus beeindruckte und vielleicht auch auf eine Art faszinierte. Zusätzlich hatte der junge Germanenfürst eine römische Bildung in Grundzügen genossen und verstand die lateinisch Sprache, so dass sich Varus mit ihm ohne gravierende Sprachbarrieren unterhalten konnte. Arminius bestärkte Varus sicherlich gegen den angeblich aufständischen Stamm vorzugehen und veranlasste ihn auf seine vorgeschlagene Strategie einzugehen. Denn durch den absehbaren Sieg der Römer in Pannonien war es für Varus gleichfalls klar, dass er und seine Politik in Germanien verstärkt durch Augustus begutachtet werden. Da würde ein nicht unterbundener Aufstand ein schlechtes Licht auf ihn als Statthalter werfen. Varus nahm die Anregungen von Arminius den Aufstand nach seinen Vorschlägen zu bekämpfen dankbar auf. So sah der Römer doch einen Verbündeten in dem jungen Germanen, der ihm zur Lösung dieses Aufstandsproblems beistehen würde.

 

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