Bei
Cassius Dio lesen wir zum Jahre 11v.Chr. weiter: „Zum Frühjahrsbeginn
brach er (Drusus) wieder zum Kriege auf,
überquerte den Rhein und bezwang die Usipeter. Er schlug eine Brücke
über die Lippe und fiel in das Land der Sugambrer ein, durchquerte es
und zog weiter in das Gebiet der Cherusker bis hin an die Weser. Er
vermochte so zu handeln, da die Sugambrer aus Wut auf die Chatten gegen
diese mit dem ganzen Aufgebot zu Felde gezogen waren, denn die Chatten
wollten als einzige unter den Nachbarstämmen sich mit ihnen nicht
verbünden; Und zu diesem günstigen Zeitpunkt brachte er ihr Land im
Vorbeiziehen an sich. Er hätte auch die Weser überschritten, wenn er
nicht Mangel an Proviant gelitten und der Winter vor der Tür gestanden
hätte und auch nicht ein Bienenschwarm in seinem Lager gesehen worden
wäre. Daher rückte er nun nicht weiter vor, geriet aber auf dem
Rückmarsch in befreundetes Gebiet in schreckliche Gefahr. Die Feinde
brachten ihn nämlich aus dem Hinterhalt ohnehin schon in Bedrängnis;
einmal hatten sie ihn in einem engen und von Höhen umschlossenen Gelände
eingekesselt und um Haaresbreite zugrunde gerichtet. Sie hätten die
Römer wohl allesamt erschlagen, wenn sie diese nicht bereits als
Gefangene und nur noch des letzen Schlages bedürfend verachtet hätten;
so aber drangen sie außer Reih und Glied gegen die Römer vor. Als sie
nun selbst besiegt waren, handelten sie seitdem freilich nicht mehr
gleich verwegen, sondern sie störten die Römer zwar aus der Ferne, aber
nahe heran wagten sie sich nicht mehr, so dass Drusus in seiner
Verachtung gegen sie ein Lager als Bollwerk am Zusammenfluss von Lippe
und Elison anlegen ließ, ein anderes im Gebiet der Chatten, nahe am
Rhein“. Drusus entging im Laufe dieser Kämpfe
nur knapp einer Niederlage und wagte es in den beiden Folgejahren nicht
mehr gegen die Sugambrer ins Feld zu ziehen. Im Jahr 10 v. Chr. richtet
sich sein Angriffsschwerpunkt gegen die im Taunusbecken und der Wetterau
siedelnden Chatten. Zu diesem Feldzug schreibt Cassius Dio: „ Das
Gebiet der Kelten und vor allem das der Chatten- denn diese waren auf
Seiten der Sugambrer getreten und hatten das Gebiet, das sie von den
Römern zur Ansiedlung erhalten hatten, verlassen-, wurde von Drusus
teilweise verwüstet, teilweise unterworfen. Und darauf kehrten sie (Drusus und Tiberius) nach Rom mit Augustus zurück. Dieser war
meistens in dem Gebiet von Lugdunum, um aus der Nähe das Verhalten der
Kelten zu beobachten“.
In diese
Zeit fällt auch der Bericht des Florus, der allerdings ebenfalls viele
Ungenauigkeiten beinhaltet: “In diese Provinz (Germanien jenseits
des Rheines) wurde Drusus gesandt. Er unterwarf zuerst die Usipeter,
dann durchzog er das Gebiet der Tenkterer und der Chatten. Dann
errichtete er einen Hügel aus erbeuteten Rüstungen und Abzeichen, die er
den Markomannen abgenommen hatte, und schmückte ihn zu einem
Siegesdenkmal aus. Dann griff er zugleich die mächtigen Stämme der
Cherusker, Sueben und Sugambrer an,... die den Krieg unternommen hatten,
und zwar in so sicherer Hoffnung auf Sieg, dass sie die Beute schon
vertragsgemäß unter sich verteilten:...Aber es kam ganz anders! Denn
Drusus verteilte als Sieger ihre Pferde, ihre Halsketten und sie selbst
als Beute und verkaufte sie.“
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Sugambrer sich stets als
erbitterter Gegner der Römer zeigten und ihnen herbe Verluste zufügten.
Erst dem Nachfolger von Drusus, Tiberius gelang die Unterwerfung der
Sugambrer durch eine List. Cassius Dio schreibt dazu“:
Darauf unternahm Augustus einen Feldzug gegen die Kelten. Er selbst
blieb freilich in der Heimat, Tiberius aber überschritt den Rhein. Aus
Furcht vor den Römern schickten daher die Barbaren mit Ausnahme der
Sugambrer Gesandte mit Friedensangeboten doch- damals so gut wie später-
ohne jeden Erfolg. Denn Augustus weigerte sich, mit ihnen ohne die
Sugambrer Verträge zu schließen. Es hatten nämlich auch diese Gesandte
geschickt, aber statt irgendetwas zu erreichen, fanden sie sämtlich,,
eine große Anzahl angesehener Männer, den Tod. Augustus ließ sie nämlich
festnehmen und in und in gewisse Städte in Gewahrsam zu bringen. Sie
aber- denn Gefangenschaft war ihnen unerträglich- legten Hand an sich
selbst. Seitdem verhielten sich ihre Landsleute eine Zeitlang ruhig,
später aber vergalten sie den Römern das ihnen angetane Leid doppelt und
dreifach.“ Und Sueton schreibt: „ Die
Germanen drängte er (Augustus) über den
Elbstrom zurück; von ihnen führte er die Sueben und Sugambrer, die sich
ergaben, nach Gallien und siedelte sie in dem Gebiet an, das dem Rhein
zunächst liegt.“ Daraufhin ließ er, der
Überlieferung nach angeblich 40000 Menschen auf die linke Rheinseite
Umsiedeln. Fortan nannten sich die in die neuen Siedlungsgebiete
umgesiedelten Germanen nicht mehr Sugambrer, sondern nahmen die
Bezeichnung “Cugener“ als ihren neuen Volksnamen an.
Es
erweist sich als eine fast unmögliche Aufgabe die damaligen
Siedlungsräume der einzelnen germanischen Volksgemeinschaften präzise
einzugrenzen, zumal die Übergänge zwischen den einzelnen
Stammesterritorien häufig fließend, und dadurch auch nicht für die Römer
genau definierbar waren. Gleichzeitig waren die dort siedelnden Germanen
nicht zwingend auf einen bestimmten Germanenstamm ausgerichtet, sondern
wählten sich ihre Führer nach ihrem Ruhm oder anderwärtiger besonderer
Eigenschaften. Parallel dazu erhalten Lokalisierungsversuche durch die
Archäologie kaum Unterstützung, denn trotz reichhaltiger Fundorte aus
germanischer Zeit, wie beispielsweise bei ergrabenen Siedlungsresten
oder aus Begräbnisspuren, sind die eindeutig einer Stammeszugehörigkeit
zuzuordnenden archäologischer Zeugnisse oftmals nicht aussagekräftig
genug, als dass sie eine genaue territoriale Zuordnung zu einer
Stammesgemeinschaft zulassen würden. So bleibt uns im Grunde nur die
Möglichkeit durch Hinzuziehung der histographischen Quellen, die
einzelnen germanischen Stämme zu erfassen, und durch die darin
enthaltenen Ortsangaben ihre Siedlungsräume in etwa einzugrenzen. Aber
auch dieser Versuch gestaltet sich als äußerst schwierige und unsichere
Aufgabe, denn die antiken Berichte sind in ihren
Lokalisierungsbestrebungen oftmals widersprüchlich und missverständlich.
Im
speziellen Fall der Lokalisierung des sugambrischen Stammesterritoriums
gibt es derzeit unterschiedliche Auffassungen, die sich aber zumindest
alle darin einig sind, dass der Kern des einstmaligen Siedlungsraums der
Sugambrer am rechten Rheinufer zu suchen ist. Die überwiegende Mehrheit
der Altertumsforscher vermutet, dass dieser Germanenstamm im Gebiet
südlich der Lippe und nördlich des Main siedelte. Begründet wird diese
Mutmaßung in erster Linie durch den Hinweis von Julius Caesar, dass die
Sugambrer bei ihrer Attacke gegen Autuaka im Jahr 54 vor Christus, den
Rhein 30000 Schritte(etwa 40 Kilometer) unterhalb der gleichzeitig
bestehenden Rheinbrücke, in etwa auf der Höhe des heutigen Köln,
überquert haben. Sollten damals die Sugambrer von ihrem Siedlungsgebiet
aus den Rhein überquert haben, dann würde ein derartiger
Lokalisierungsversuch in seiner Wertung zutreffen, aber es ist
anzunehmen, dass die Germanen die den Rhein in kriegerischer Absicht
überquerten, das nur an einer für diesen Anlass zweckmäßigen Stelle
erfolgen konnte und in keinem Zusammenhang mit ihrem damaligen
Stammesterritorium stand.
Wo das
tatsächliche Kernland der Sugambrer lag erhält ausgerechnet durch die
Archäologie, die ja sonst ihre Schwierigkeiten mit genauer territorialer
Stammeszuordnung hat, eine Bestätigung. Denn durch umfangreiche
Untersuchungen des rechten unteren Niederrheins, durch Professor Richard
Stampfuss und seine Mitarbeiter, die in den Dreißiger Jahren des letzten
Jahrhunderts begannen, und die über mehrere Jahrzehnte fortgesetzt
wurden, lassen sich Zuordnungen erkennen, die auch mit den
histographischen Überlieferungen in Einklang zu bringen sind. Zum einen
lässt das reichhaltige Fundspektrum im Bereich nördlich der Lippe,
entlang des Rheinufers, eine Aufnahme kulturell verschiedenartiger
Germanenstämme erkennen, deren Zuzug in den Jahrzehnten vor der
Zeitwende zugeordnet werden kann, und die gleichzeitig neben den
einheimischen Germanen hier siedelten. Hierbei kann es sich nur um die
von Julius Caesar aus ihren Wohngebieten verdrängten Usipeter und
Tenkterer handeln, die damals von den Sugambrern aufgenommen wurden.
Demnach umfasste das sugambrische Siedlungsgebiet, das an den typischen
Glasarmringen, die als Grabbeilagen dienten, festgemacht wurde, nach dem
Historiker Christoph Reichmann, in der Hauptsache nördlich des
Lippemündungsgebietes.
Auch
gelang der Nachweis, dass die Besiedlung dieses Gebietes ein abruptes
Ende fand, was auf die Umsiedlung der Sugambrer und der Entvölkerung
ihres Territoriums im Jahr 8 vor Christus schließen lässt. Ob diese
Ausbürgerung der Sugambrer jedoch vollständig war, das heißt, ob sich
der gesamte sugambrische Germanenstamm umsiedeln ließ, ist sehr
fraglich. Denn verschiedene Indizien lassen an ein weiterexistieren der
Sugambrer auf der rechten Rheinseite glauben. Von der Tatsache abgesehen
das es schon unwahrscheinlich klingt, dass dieser stolze und
kriegerische Stamm, der sich in der Vergangenheit erbitterte Kämpfe mit
den Römern geliefert hat, nur durch den Verlust eines Teiles seiner
Führungsschicht bereit war, diesen Krieg zu beenden und sich
widerstandslos in neue Siedlungsgebiete deportieren ließ, muss man auch
nachfolgende histographischen Überlieferungen betrachten, die in
späteren Jahren die Sugambrer erwähnen. Schon Cassius Dio
schreibt für die Zeit nach der Sugambrerdeportation diese Zeile: “Daraufhin
verhielten sie sich (die Sugambrer) einige
Zeit lang ruhig, später vergalten sie den Römern das ihnen angetane Leid
doppelt und dreifach.“ Das kann nur bedeuten
dass sich die Sugambrer weiterhin gegen das römische Imperium zur Wehr
setzten, und den Römern eine empfindliche Niederlage zusetzte. Diese
Niederlage kann an eine entscheidende Beteiligung dieses Stammes an der
Varusschlacht hindeuten. Des Weiteren bekommt das Faktum Gewicht, dass
nach der Angabe Strabons, beim Triumphzug zu Ehren der Erfolge von
Germanicus in Rom, auch der Sugambrer Deudorix neben anderen, als
Gefangener vorgeführt wurde. Diese Tatsache allein bedeutet schon, dass
sich die Sugambrer, oder zumindest Teile von ihnen, bis zu den
Germanicusfeldzügen, nach wie vor an den Auseinandersetzungen gegen die
Römer beteiligt waren. Auch in der Geographie Germaniens von Klaudios
Ptolemaios(100-176 n. Chr.) werden die Sugambrer in ihren
Siedlungsgebieten als benachbarter Stamm zu den Brukterern benannt. Und
selbst fast fünf Jahrhunderte später, im Jahr 496, wurde Chlodwig, der
Frankenkönig aus dem Merowingergeschlecht, durch den Bischof von Reims,
mit den Worten getauft “Beuge demütig dein Haupt, Sigambrer, bete an,
was du verbrannt hast, und verbrenne was du angebetet hast“.
Diese
Indizien nähren den Verdacht, dass sich Teile dieses stolzen und
unnachgiebigen Stammes nicht unterwerfen wollten, und sich weiterhin
beharrlich den Römern widersetzten und schließlich sogar bis in die
Frankenzeit überdauerten. Und in diesem Zusammenhang ist es
wahrscheinlich, dass das Rückzugsgebiet der Sugambrer in den heutigen
Niederlanden zu suchen ist. Dieses ausgedehnte und ehemals versumpfte
Gebiet war für eine römische Landnahme nicht attraktiv, sondern bot
sich, im Gegenteil, für den Ortsunkundigen als fast undurchdringliches
Gelände. Hier gab es nur wenige größere besiedlungsfähige Landflächen,
zum Beispiel in der Hogen Veluwe, die nicht von den oft wechselnden
Wasserständen beeinflusst wurden. An diesem Ort bot sich für die
Sugambrer die Aussicht, weitgehend unbehelligt von den Römern, eine
Siedlungsstruktur aufrecht zu halten, die es ihnen ermöglichte ein
geschlossenes Stammesgefüge aufrecht zu halten. Von hier aus könnte sich
die Keimzelle einer germanischen Guerillaarmee entwickelt haben, die
immer wieder Römer und deren Einrichtungen attackiert haben, und ihnen
dadurch empfindliche Verluste zufügten. Auch könnten die Fossa Drusiana
und in der Fortsetzung die Ijssel, die durch den niederländischen
Achterhoeck fließt, als nutzbarer Verkehrsweg zu unsicher geworden sein,
weil durchfahrende Schiffe immer wieder von den Sugambrern attackiert
wurden. Diese Verhältnisse boten wahrscheinlich den ausschlaggebenden
Anlass für Varus, gegen diesen Unruheherd vorzugehen. Somit waren die
rechtsrheinisch verbliebenen Reste des Sugambrerstammes der Auslöser für
das Varusdesaster, und infolge dessen auch entscheidend am bekannten
Ausgang beteiligt