Ein Limes am rechten Niederrhein
|
 |
Sowohl
Velleius Paterculus wie auch
Cornelius Tacitus erwähnen für die Zeit
nach der Varusschlacht Grenzbauwerke an der rechten Rheinseite.
Paterculus spricht in Verbindung mit der Zeit unmittelbar nach der
Varusschlacht, in der Tiberius am Niederrhein die Verhältnisse ordnete,
von Grenzwegen die der römische Befehlshaber offen legte (Vell.Hist.120/2) Tacitus
berichtete uns davon, dass Germanicus im Jahr 16 das ganze Gebiet
zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein mit neuen Grenzwegen und Dämmen
befestigt hat (Tac.Ann.II/7). Nach der Interpretation dieser Ausführungen muss davon
ausgegangen werden dass hier jeweils ein schon vorher bestehender
Grenzweg neu befestigt wurde. Mir großer Wahrscheinlichkeit wird es sich
bei diesen im lateinischen Originaltext als Limites bezeichneten
Grenzbefestigungen, um ein und dieselbe Grenzbefestigung gehandelt haben,
welche von den beiden Heerführern wieder für ihren Zweck wiederhergestellt wurde.
In diesem Zusammenhang scheinen offensichtlich die Truppen die zur
Sicherung dieses Grenzwalles erforderlich waren, im Lager
Aliso
stationiert gewesen zu sein, wobei dieser Limes anscheinend zur
Sicherung des Rheinvorlandes diente. Es scheint unwahrscheinlich, dass
sich diese Grenzwälle nur parallel der Lippe befunden haben, um von
einem Lippelager zum Rhein zu führen. Die Frage wirft sich unweigerlich auf, welchen strategischen Nutzen Grenz- und Verteidigungswege haben
sollen, die analog zur Lippe
korridorartig verlaufen, und dabei keine größeren Landflächen in ihren zu
schützenden Bereich einbeziehen.
Die Lage des
Limesabschnittes
Es gibt
an der rechten Rheinseite einen gewichtigen Beleg für die Existenz
dieses Grenzwalles, der noch heute teilweise deutlich sichtbar in der Landschaft
wahrnehmbar ist. Obwohl er schon im
19.Jahrhundert als eine römische Hinterlassenschaft angesehen wurde,
erfuhr er in der jüngeren Vergangenheit eine Umdatierung als
mittelalterliches Bauwerk,
dessen ungeachtet es dafür keine stichhaltigen Indizien gibt. Bei
dieser Grenzwehr handelt es sich um das heute als Klever Landwehr
bezeichnete Erdwallsystem, das von Schermbeck hinunter in einem
Bogen bis zu der Ortschaft Isselburg führte. In der Katasterkarte von Kleve aus dem Jahr 1733
ist diese Landwehr in ihrer ganzen Länge und ohne Unterbrechungen
aufgeführt, und auch die schon im vorangegangenen Kapitel angesprochene
Karte von Professor Schneider aus dem Jahr 1868, bezeichnet sie noch deutlich
sichtbar.
|
Bild
anklicken zum Vergrößern

Verlauf der
Klever Landwehr
Rot = Deutlich sichtbare Teile der Landwehr
Grün = Verlauf der Landwehr nach Professor Schneider
|
Auch
heute lassen sich noch in der Landschaft auf weiten Strecken die
Relikte dieses ehemals mehr als 40 Kilometer langen Grenzbauwerkes,
deutlich nachvollziehen. Dabei beginnt die Landwehr etwa 1000 Meter nordwestlich der Gemeinde Schermbeck
an der Grenze zum Schermbecker Bruch, welches noch vor zweihundert
Jahren fast Unpassierbar war und zeigt sich ab hier als ein etwa 40 Meter breites
Wallsystem. Es verläuft zunächst in südwestlicher Richtung, um dann ab Drevenack nach
nordwestlicher Richtung abzubiegen. Dabei präsentiert sich dieses
Bauwerk bei Schermbeck-Damm als eine Anlage von zwei etwa neun Meter
breiten und bis zu zwei Meter hohen Erdwällen, die von drei, etwa vier
Meter breiten Gräben, die heute noch cirka 1,50 Meter tief sind,
eingefasst werden.
Von
ihrem Ausgangspunkt bei Schermbeck führt die Landwehr nach Südwesten an
Drevenack vorbei, quert die A3 und stößt an der Bärenschleuse westlich
von Wesel auf die Issel. Während dieses Verlaufes wird sie oftmals von
Strassen und Wegen unterbrochen. Gleichzeitig wurde die Landwehr in den
vergangenen Jahrhunderten an mehreren Stellen abgetragen und eingeebnet
um sie landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Auch ändert sich das System
der Wälle mehrmals. Von der Bärenschleuse an verschwindet die Landwehr
fast völlig, und ist ab dort offensichtlich während der Isselregulierungsmaßnahmen
in den letzten Jahrhunderten zerstört oder in den Flusslauf
integriert worden. Sie tritt dann wieder für mehr als drei Kilometer
zwischen der neuen Issel und der Bahnlinie von Wesel nach Bocholt
deutlich sichtbar hervor. Auch auf dieser Strecke wurde die Landwehr
in der Vergangenheit teilweise abgetragen und wird von Wegen
gequert, jedoch ist sie auf diesem Abschnitt immer noch
eindrucksvoll präsent. Vor der Stadt Hamminkeln geht sie dann wieder
in die neue Issel auf, und führte dann an der Gemarkung Römerrast
vorbei bis zum Dorf Loikum.
|

Die Grenzen der
Grafschaft Kleve auf einer Karte von 1645
Die Klever Landwehr verläuft abseits dieser Grenze
|
Wo der
Anfangspunkt und das Ende dieser Landwehr gelegen hat, lässt sich nicht
anhand der oberflächlich sichtbaren Bodenbeschaffenheit ermitteln, doch
Professor Schneider zeichnete vor fast anderthalb Jahrhunderten die
Landwehr an dem Punkt bei Schermbeck, wo sie klar erkennbar wird, in
einem spitzen Winkel nach Süden abknicken, und bei Gahlen über die Lippe
treten. Ab der Gemarkung Römerrast, wo sich der Verlauf der Landwehr
nicht mehr anhand von Landschaftsmarkierungen nachvollziehen lässt,
lokalisiert Professor die ehemalige Landwehr, die ab dort nicht mehr so
umfangreich dimensioniert scheint, auf der heutigen Straßentrasse von
Loikum nach Isselburg, und von dort aus in dem Gebiet der Hetter zu enden.
Definition der
Landwehr
Die Definition einer
Mittelalterlichen Landwehr ist ein Sperrwerk zum Schutz von Stadt-,
Kirchspiel-, Gerichts-, oder Territorialgrenzen. Die Klever Landwehr
entspricht keiner dieser Definitionen. Die Territorialentwicklung
der Grafschaft Kleve erfolgte schrittweise, so dass es bis zum 15.
Jahrhundert kein zusammenhängendes Gebiet auf der rechten Rheinseite
gab, welches einen derartigen Grenzverlauf erforderlich gemacht
hätte. Denn zu dieser Zeit verlief die die Landwehr auch durch
Kurkölner Territorium und und das Gebiet der Fürstbischöfe von
Münster. Im 14-15 Jahrhundert taucht die Landwehr in Stadtrechnungen
von Wesel auf, so dass es sie zu diesem Zeitpunkt schon existent
war. Auch als Kleve seine Maximalausdehnung hatte, entsprach der
Verlauf der Landwehr nicht dem Grenzverlauf der Grafschaft.
Weiterhin durchschneidet sie auch ehemalige Kirchspiele und
Gerichtsbezirke, so dass sie auch hier nicht zweckdienlich als
Grenzschutz gewesen sein kann.
|
Bild
anklicken zum Vergrößern

Abschnitt der Landwehr bei Schermbeck
|
Ein weiterer entscheidender Faktor der gegen die
Erbauung durch die Klever Grafen spricht, ist der enorme
Arbeitsaufwand der gemacht wurde um dieses Erdwerk zu erstellen. Um
dieses Bauwerk zu errichten hätten pro laufenden Meter mindestens
zwanzig Kubikmeter Erde ausgehoben, herangeschafft, verfüllt und
verdichtet werden müssen. Es scheint nicht vorstellbar, dass die
immerwährend Geldknappen Klever Grafen in der Lage waren einen
derartiges Bauvorhaben zu finanzieren, denn zur Herstellung dieser
Landwehr waren sicherlich viele tausend Arbeitskräfte erforderlich.
Das Beispiel des Baues der Fossa Eugenia, die als Vergleichsbeispiel
herangezogen werden kann, zeigt wie Arbeitsintensiv ein derartigen
Bauvorhaben war. Hier waren zeitweise bis zu 8000 Arbeiter über
mehrere Jahre hinweg beschäftigt. Es stände der Nutzen dieses
Grenzwalles in keinem Verhältnis zum Aufwand der für seine
Errichtung betrieben wurde.
Da
die Landwehr schon im Mittelalter
existierte, wurde sie sicherlich zur Überwachung des Grenzverkehrs einbezogen, aber eine
Erbauung nur zu diesem Zwecke scheint aufgrund ihres Umfangs und ihrer
Lage, abseits der tatsächlichen Grenze nicht sonderlich realistisch. Die
Annahme ist jedoch sehr
wirklichkeitsnah, dass es sich bei der Klever Landwehr um die Überreste der Grenzanlagen
handelt, von denen bei Paterculus und Tacitus die Rede ist. Dabei weist
sie in ihrer Bauart Parallelen zum obergermanischen Limes auf. Denn auch
hier wurde der Limes durch ein System parallel nebeneinander
verlaufender Erdwälle ähnlicher Bauart gesichert. Vorstellbar ist dieses
Wallsystem mit einer Palisadenreihe auf den niedrigeren vorgelagerten
oder den vordersten der höheren Erdwälle.
Ein weiteres schwerwiegendes Indiz für den Bau der
Landwehren unter römischer Herrschaft ist ihr Verlauf auf der
südlichen Seite der Lippe. Dort gab es drei parallel, in einem
Abstand von nur wenigen Kilometern voneinander, verlaufende
Grenzwälle, die offensichtlich den Zweck hatten, das Rheinvorland
gegen Germaneneinfälle abzusichern. Zwei dieser Wallsysteme befanden
sich auf der Niedertrasse, die dritte auf der Hochtrasse. Eine Karte
von Major Le Coq aus dem Jahr 1805 verdeutlicht ihren ehemaligen
Verlauf. Die vermutliche Verlegung des Walles auf höher gelegenes
Terrain hatte sicherlich, neben ihrer trennenden Funktion, den Sinn,
den Germanen jenseits dieses Limes den Einblick auf die Lippemündung
und den Rheinstrom zu verwehren. Eine Feindaufklärung war damals wie
heute wesentlicher Bestandteil der Kriegsführung, wobei es bei
dieser Grenzführung aus der Hochtrasse es den Germanen unmöglich
gemacht wurde, sich über die Verhältnisse jenseits dieser Grenze zu
informieren.
|
Bild
anklicken zum Vergrößern

Abschnitt der Landwehr bei
Drevenack-Peddenberg
|
Eine derartige
Grenzbefestigung konnte natürlich kein großes Heer dauerhaft
aufhalten, aber es eignete sich ausgezeichnet als
Überwindungshindernis gegen kleinere Verbände, denn von der
Schwierigkeit abgesehen, dass es schon Mühe machte den Palisadenzaun
zu durchbrechen, war es für Reitereinheiten unmöglich dieses
Grabenhindernis mit ihren Pferden zu überwinden. Auch für Fußtruppen
erschwerte diese Barriere den unerlaubten Grenzübertritt erheblich,
wobei ständig an dem Grenzwall patrouillierende Wächter, selbst ein
heimliches Überqueren der Grenzlinie schnell festgestellt gehabt
haben werden. Ebenso ist davon auszugehen, dass dieser Grenzwall mit
entsprechenden Überwachungstürmen in einem gewissen Abstand
zueinander versehen war. Entlang der Landwehr gibt es einige Orte
die durch die Beschaffenheit ihrer Bodenstruktur auf Standorte
ehemaliger Wachtürme hinweisen.
Sinnvollerweise hätte nach strategischen Überlegungen auch ein
Stützpunkt am Endpunkt der Landwehr, an der Lippe bei Schermbeck
existieren können, denn dann konnten die Patroulliengänge entlang der
Landwehr von beiden Seiten erfolgen. Außerdem galt es für die Römer,
zusätzlich zu der landseitigen Grenzsicherung, auch die Lippe zu
Überwachen, denn dieser Fluss war für die Römer zwar ein Einfallstor ins
Innere Germaniens, aber sie konnte von den feindlichen Germanen auch mit
einer Flotte als Ausfallstor aus Germanien heraus benutzt werden, und
dann die Rheingrenze bedrohen. Hierbei könnte es sich dann um das zweite
Lager gehandelt haben, welches aus der Interpretation der
Tacitustextstelle herauslesbar ist. Allerdings sind bisher noch keine
eindeutigen Anzeichen eines Stützpunktes an der Lippe der innerhalb der
Landwehr lag, entdeckt worden, so dass diese Annahme bisher nur Spekulation
sein kann.
Weiter
|
Bild
anklicken zum Vergrößern

Klever Landwehr bei
Wesel-Obrighoven |
Bild
anklicken zum Vergrößern

Karte von Major Le Coq
von 1805/ Südlich der Lippe sind drei parallel verlaufende
Landwehrabschnitte eingezeichnet
|
Bild
anklicken zum Vergrößern

Klever Landwehr bei
Hamminkeln |
Bild
anklicken zum Vergrößern

Rest der Klever
Landwehr im Isselbuch
|
Bild
anklicken zum Vergrößern

Reste des Hadrianswalles |

|

Rekonstruktionszeichnug des
Obergermanischen Limes
|
Link:
Landwehren in Westfalen
Literatur:
Prof. Dr. Sadee´/ Zur Alisofrage / Bonner
Jahrbücher 130
Walter Kersten / Die Niederrheinische
Grabhügelkultur / Bonner Jahrbücher 149
Ulrich Karstedt / Methodisches zur Geschichte des
Niederrheins / Bonner Jahrbücher 150
Jürgen Kunow / Limesvorland / Bonner Jahrbücher
187
Wolfgang Will / Klientelstaaten / Bonner
Jahrbücher 187
Wolfgang Wegner / Landwehren im Stadtgebiet
Viersen / Archäologie im Rheinland 2002
Thomas Becker / Als der "Limes" noch bis Holland
reichte / Archäologie im Rheinland 2006
|
Ein neues
Römerlager |
|
Sitemap
Zurück
zur Hauptseite |
|
|
|
|
|
|
|
|