Ein großes Rätsel der Antike

Varusschlacht

“Außergewöhnlichen Schlachten folgen in der Regel außergewöhnliche Regenfälle“

Plutarch

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Die histographischen Aufzeichnungen über die Varusschlacht gäbe es nicht. Man wüsste infolgedessen nichts über Arminius und Varus, über eine sogenannte "Schlacht im Teutoburger Wald" und die Vernichtung von drei römischen Legionen an diesem Ort. In dem hügelreichen Bergland zwischen Weser und Ems könnte man herrlich „Urlaub im Osning“ machen und dort den Reiz der Natur genießen. Es gäbe kein Hermannsdenkmal bei Detmold; nur einen hohen Aussichtsturm auf dem 356 Meter hohem Teutberg, der einen vorzüglichen Blick über die weitläufigen bewaldeten Höhenzüge gewährt. Auch der 1.FC Bielefeld würde sich in der Fußballbundesliga prächtig behaupten.

Die archäologische Zunft hätte in den vergangenen Jahrzehnten ganze Arbeit geleistet. So wurden eine Hand voll ehemaliger Römerlager entdeckt, erforscht und chronologisch eingeordnet. Weitere Funde bestätigen eine dauerhaftere römische Anwesenheit rechts des Rheines über mehrere Jahrzehnte. Man hätte auch durch archäologische Ausgrabungen erfahren, dass die Römer dort bei Kalkriese in den Jahren nach der Zeitwende mindestens eine kämpferische Auseinandersetzung gehabt haben müssen. An dem Ort dieser Konfrontation streiten sich die Archäologen lebhaft über den genauen Hergang dieser Schlacht, wobei der überwiegende Teil der Altertumswissenschaft davon überzeugt ist, dass sich in Kalkriese bei Osnabrück zwei römische Heere, oder zumindest zwei mit römischen Waffen ausgerüstete Parteien gegenüber standen.

Arminia Bilefeld

Und dann gäbe es eine literarische Sensation, denn in der Bibliothek eines uralten Klosters würde von einem Mönch, in einer hinteren Nische, bisher verborgen unter dem Staub von weit mehr als einem Jahrtausend, ein großer Stapel alter Pergamente hervorgeholt. Darunter die Schriften der römischen Schreiber Strabo, Velleius Paterculus, Cornelius Tacitus, Florus, Sueton, und dem Griechen Cassius Dio. Die Wissenschaft jubelte über diesen außergewöhnlichen Umstand, denn nun hätte man endlich die Möglichkeit vielen aufgefundenen Artefakten und ergrabenen Plätzen, die bisher oftmals anonym nur für sich alleine zusammenhangslos standen, eine fassbarere Geschichte zu geben. Ein herausragendes Ereignis innerhalb dieser Aufzeichnungen der antiken Schreiber, wäre die vernichtende Niederlage des römischen Statthalters Varus gegen ein germanisches Heer unter der Führung von Arminius dem Cherusker. Während im einsetzenden Forschungseifer das von den römischen Schriftstellern geschilderte Geschehen einen Abgleich mit den archäologischen Resultaten erfuhr, hätte man selbstverständlich zugleich die Aussagen der alten Autoren auf ihre grundsätzliche Glaubwürdigkeit überprüft. Dazu würde recht einträchtig und fast verbindlich die Meinung vertreten, dass sich eine dieser Schriften im Bezug auf ihren offensichtlich zweifelhaften Wahrheitsgehalt grundlegend von den übrigen Aufzeichnungen unterscheidet und nicht mit den tatsächlichen archäologisch erwiesenen Gegebenheiten zu vereinbaren ist.

Sitemap

Zurück zur Hauptseite  

Aus gutem Grund hätte die Geschichtsforschung fast einmütig die meisten Aussagen von Cassius Dio im Bezug auf seine Beschreibung der Niederlage des Varus verworfen. Im Besonderen seine zweifelhaften Angaben, dass Varus zur Weser zog sowie seine übertrieben lebhafte und nicht nachvollziehbare Schlachtbeschreibung erführen eine drastische Ablehnung. Nach dieser sorgfältig vorgenommenen Quellenkritik würde sich die Geschichtswissenschaft auf die Suche nach den Plätzen und Orten machen, von denen uns die glaubwürdigen antiken Autoren berichtet haben. Denn die Aussagen dieser Schreiber schienen trotz gelegentlicher Diskrepanzen untereinander, im Großen und Ganzen in sich schlüssig. Zudem waren sie durchaus mit den archäologischen Ergebnissen vereinbar. So beämen endlich die Römerlager an der Lippe, Holsterhausen und  Haltern, Oberaden und Anreppen ihre Einordnung zum historischen Kontext. Bei Bramsche an der A1 würde ein Schild mit der Aufschrift: „Kalkriese - Die Schlacht am Angrivarierwall“ aufgestellt, und das bisher noch vermisste Römerlager Aliso könnte endlich nach intensiver und aufwändiger Suche in Rheinnähe gefunden und sicher identifiziert werden.

Nachdem durch den Abgleich mit archäologischen Resultaten, landschaftlichen Gegebenheiten und der Quellenlage ein Gebiet jenseits der Deutschen Grenze als mutmaßlicher Schlachtort der Varusniederlage ausgemacht würde, prüft die Niederländische Regierung gewissenhaft den Vorschlag, das bisher Achterhoek genannte Gebiet im holländischen Gelderland in den „Teutoburgerwoud“ umzubenennen. Desgleichen würden nun holländische Nationalisten diese Varusslagh als die Geburtsstunde der niederländischen Nation feierlich begehen. Und zu guter Letzt hätte der niederländische Fußballclub Vitesse Arnheim seinen Namen in Arminia Arnheim geändert und würde souverän die Champions League gewinnen.

Bild anklicken zum Vergrößern

Legion Playmobil

Eine römische Legion nachgestellt aus Playmobilfiguren
Rheinisches Landesmuseum Bonn
 

Dieses vorgestellte Szenario ist pure Fiktion, denn die Geschichte der Erforschung der Varusschlacht hat  einen anderen Verlauf genommen, denn die histographischen Aufzeichnungen sind schon vor etwa fünfhundert Jahren durch ihre Wiederentdeckung in das Bewusstsein der Menschen zurückgelangt. Seit dieser Zeit versuchten viele Geschichtsforscher die Örtlichkeiten der darin beschriebenen Geschehnisse zu bestimmen. Es gab schon vor fast fünf Jahrhunderten die Lokalisierungsversuche von Georg Spalatin der 1535 diese Schlacht bei Duisburg ausmachte, sowie Johannes Cincinnius der 1539 in dem Gebiet zwischen den Flüssen Ems und Lippe den Ort der Varusschlacht sah. Phillip Melanchthon sah 1559 im Osning den Ort der Clades Variana und Egbert Hopp identifizierte 1655 den Duisbuger Wald als den Ort des Schlachtgetümels. Abraham Ortelius lokalisierte 1587 das Gebiet östlich der Issel als den Platz des Niederganges der römischen Legionen. Phillip Clüver sah 1616 in dem Teutberg den Ort der Tacitus dazu veranlasste vom "Teutoburgiensis Saltus" zu schreiben und benannte diesen bis dorthin als Osning bezeichneten Gebirgszug im Weserbergland nun als als Teutoburger Wald. Der Blomberger Pastor Johannes Piderit schloss sich 1627 dieser Meinung an. Als letztlich der Fürstbischof von Paderborn und Münster, Ferdinand Freiherr zu Fürstenberg schließlich 1669 die Bezeichnung Teutoburger Wald für seine Monumenta Paderbornensia gebrauchte und diesen Begriff auch auf von ihm herausgegebenen Landkarten verwendete, wurde anscheinend im allgemeinen Lokalisierungswirrwar der Ort der Varusschlacht höchstamtlich verordnet, anstatt ihn auf einigermaßen gesicherten Fakten zu verorten. Diese „Verortung“ geschah ausschließlich aufgrund von Quelleninterpretationen, wobei man hauptsächlich damals den nach heutigen Maßstäben stark anzuzweifelnden Aussagen des Cassius Dio den Vorzug gab, wonach es ein Weserlager des Varus gab und die Berge am Ort seiner Niederlage so hoch wie die Schluchten tief waren.

Die Folge ist nun dass, wenn von der Lokalisierung der Varusschlacht gesprochen wird, reflexartig der Teutoburger Wald mitschwingt. Aber nicht vorrangig der „Teutoburger Wald“ des Tacitus, sondern besonders der des Freiherrn zu Fürstenberg. Letzten Endes ist es nun, wenn man von einer groben Lokalisierung dieser Schlacht ausgeht, innerhalb der vergangenen Jahrhunderte seit Fürstenberg unerheblich geworden, ob nun bei Kalkriese oder an einem anderer Ort im ehemaligen Osning Varus sein Ende gefunden hat, es sollte aber unzweifelhaft gefälligst innerhalb oder in der Nähe dieses Gebirgszuges geschehen sein. Insofern war die Umbenennung von Fürstenberg bisher von Erfolg gekrönt. Zudem wurde vor etwa 150 Jahren mit dem Bau des Hermannsdenkmales im Zentrum dieser Höhenkette, diese Gegend vor aller Welt als das Gebiet manifestiert, in dem Varus sein Ende gefunden haben muss.

Eine andere Örtlichkeit die weitab von dieser Gegend auf niederländischem Staatsgebiet liegt, erhält als mutmaßlicher Schlachtort bisher nur periphere Beachtung, während Kalkriese derzeit trotz eines eher gegenteiligen Grabungsbefundes prestigeträchtig und lukrativ als der Ort der Varusschlacht propagiert wird. Und letztendlich kämpft Arminia Bielefeld nun in der zweiten Fußballbundesliga ums sportliche Überleben.

 

 

 

Einleitung

 

Die Clades Variana oder auch Varusschlacht, die unüblicher Weise nach seinem Verlierer benannt wurde. Die Hermannschlacht, obwohl keiner der Beteiligten Hermann hieß. Die Schlacht im Teutoburger Wald, obgleich dieses heute so genannte Waldgebiet eigentlich Osning heißen müsste. Diese Bezeichnungen stehen für das größte Drama dass einem römischen Heer je auf germanischen Boden widerfahren ist, und welches in seiner Folge die Europäische Geschichte nachhaltig verändert hat. Der vom römischen Kaiser Augustus als Statthalter in Germanien eingesetzte Quintilius Varus, wurde mit seinen drei Legionen im Jahr 9 nach Christus, durch eine Streitmacht germanischer Krieger unter Arminius dem Cherusker vernichtend geschlagen. Diese Katastrophe erschütterte das römische Weltreich so sehr, dass in der Folge dieser Niederlage die Germanienpolitik der Cäsaren grundlegend geändert wurde. Nicht mehr wie geplant die Expansion des Römischen Reiches bis zur Elbe, sondern den Rhein und Limes als die zu sichernde Grenzlinie zu den Germanen auszubauen wurde danach als neues Ziel verfolgt. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus vermerkt verneigend zur Person Arminius: “Unstreitig war er der Befreier Germaniens, der das römische Volk nicht am Anfang seiner Geschichte, wie andere Könige und Heerführer, sondern das in höchster Blüte stehende Reich herausgefordert hat, in den einzelnen Schlachten nicht immer erfolgreich, im Kriege unbesiegt“.

 

Über dieses Ereignis legte sich anschließend in dem Gedächtnis der nachfolgenden Generationen der Mantel des Vergessens. Als es dann nach fast anderthalb Jahrtausenden durch die intensiven Studien der römischen Geschichtsschreiber wieder in das Bewusstsein der Menschen zurückkehrte, nahmen sich seitdem viele Generationen von Dichtern und Denkern dieses historischen Motivs an. Arminius zählte zeitweilig zu dem heroischen Vorbild für deutsche Freiheitsliebe, sein Kampf gegen die Römer als das Beispiel für die Auflehnung gegen eine fremde, das deutsche Volk und Kultur unterdrückende Herrschaft. Doch so sehr sich die poetische Zunft an dieser Vorlage auch ausleben durfte, so brachte diese Begebenheit auch viele derjenigen Menschen fast zur Verzweiflung, die an dem wie und wo dieses Teiles unserer Geschichte interessiert sind und das einstmalige Geschehen entschlüsseln wollen. Kaum ein anderes historisches Geschehnis hat die Altertumsforschung hierzulande mehr herausgefordert als diese strafende Niederlage der einstmaligen Weltmacht Rom. Die Berichte der antiken Schreiber über den Hergang dieses Geschehens, ließen in ihren Ortsangaben sehr viel Freiraum für eigene Spekulationen und verschiedenste Interpretationen. Es scheint fast so als ob sich diese frühzeitlichen Berichterstatter untereinander für einen großen Spaß abgesprochen haben, um der Nachwelt ein scheinbar nicht zu entschlüsselndes Rätsel aufzugeben. Denn trotz größter Anstrengungen vieler forschungshungriger Historiker, ist es bisher noch nicht gelungen den genauen Verlauf oder den Ort dieses römischen Desasters zweifelsfrei zu erklären.

Infolge der unsicheren und widersprüchlichen Quellenlage entwickelten ganze Heerscharen von Wissenschaftlern ihre eigene Theorie über die Abfolge dieses Kampfes, mit dem Ergebnis, dass die Anzahl der jeweils vermuteten Schlachtfelder auf bisher über 700 angewachsen ist und die Literatur die zu diesem Thema veröffentlicht wurde mittlerweile ganze Bibliotheken füllen könnte. Nachdem in Kalkriese bei Osnabrück in den letzten Jahren ein Kampfplatz aus der Zeit der römischen Germanienfeldzüge nachgewiesen werden konnte und er mit dem Ort der Varusschlacht in Verbindung gebracht wurde, sind die Stimmen sehr viel leiser geworden, die einen andern Standort als diesen für ihre These favorisieren. Die Geschichtswissenschaft scheint sich im Allgemeinen trotz erheblicher Bauchschmerzen mit dieser Örtlichkeit als den der Varusschlacht abgefunden zu haben. Auf dieser Webseite soll in mehreren Teilen zuerst die gesamte Problematik der Suche nach dem Ort der Varusschlacht beleuchtet werden, um dem Leser die Grundlage zu geben, sich selbst ein umfassendes Bild der derzeit gesicherten Ausgangslage zu machen. Zusätzlich werden an dieser Stelle in einem weiteren Teil die zurzeit aktuellen Varusschlachttheorien erörtert und aus einfach nachvollziehbaren Gründen in Frage gestellt, um im anschließenden Schwerpunkt dieser Untersuchung eine bisher noch recht unbekannte Version der möglichen damaligen Ereignisse vorzustellen. Sie können sich nach einfachem Schema von Seite zu Seite vorarbeiten um sich in diese Webseite gleich wie in einem Buch einzulesen, sie haben aber auch die Möglichkeit durch oftmals angegebene Querverweise verschiedene Themenschwerpunkte einzeln zu erfassen.

Dieser unkonventionelle Versuch einer Varusschlachtlokalisierung unter Einbeziehung der antiken Autoren, sowie militärischen Überlegungen und auch geographischen Studien, dazu noch alten Ortsbezeichnungen und einer großen Portion logischem Menschenverstand, soll neues Öl in das Feuer dieser schon fast unendlichen Diskussion gießen. Denn nach geingehender Berücksichtigung aller uns heute vorliegenden Fakten, gelangt man unwillkürlich zu einem gänzlich anderen Resultat wie sämtliche anderen Theorien die sich bisher mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Da sich dieser Themenschwerpunkt Varusschlacht in fortwährender Forschungsdynamik verhält, soll auch diese Studie laufend um neue Bilder, Videos, Graphiken, Animationen und vor allem Inhalte ergänzt werden, um soweit wie möglich auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu sein.

Ich hoffe, dass diese hier vorliegende Untersuchung in Verbindung mit den dafür nötigen archäologischen Überprüfungen dazu beiträgt, dass dieses große Rätsel der germanischen Geschichte, nun da es sich zum zweitausendsten Mal gejährt hat, endgültig und abschließend entschlüsselt werden kann. Gleichzeitig mag diese Website auch als Aufforderung gelten, sich mit seinem Wissen oder seiner Neugier an der nötigen Diskussion und der Erforschung dieser Geschichtsfrage zu beteiligen, denn dieses Thema lebt nicht nur durch einseitige Stellungnahmen. Gleichzeitig bitte ich alle Leser mich auf sachliche und inhaltliche Fehler innerhalb dieser Webseite aufmerksam zu machen, denn ich möchte an dieser Stelle eine möglichst wahrheitsgemäße Wiedergabe der einstmaligen Ereignisse gewährleisten. 

Rees-Mehr den 30.12.2010  

Albert Bömer

 
 

Albert Bömer

 

Weiter